#58 unsere erste TripAdvisor Bewertung

Jasmin ist in ihrem Leben niemals Motorrad gefahren und nach unserem Ausflug auf zwei Rädern in Laos ist das Interesse daran auch nicht gestiegen. Daher hätte keiner von uns erwartet um 07:30 Uhr im Innenhof unserer Unterkunft zu stehen und auf den Start unserer Motorradtor zu warten.

Völlig entnervt waren wir zwei Tage zuvor in der Mittagshitze um die halbe Zitadelle gerannt. Wir waren hungrig und keiner der Läden hatte ein bezahlbares, ansprechendes Mittagessen im Angebot, geschweige denn überhaupt geöffnet. Rechts und links von uns waren immer wieder TukTuk- und Taxifahrer, die uns mitnehmen wollten. Meist waren sie schneller desinteressiert, als wir „Nein, Danke“ sagen konnten. Hatten wir uns gerade von dem Pulk der Fahrer entfernt, passt uns ein einzelner Herr auf einem Roller direkt auf dem Weg vor uns ab.  Er fragt freundlich, ob er uns mitnehmen kann. Wir lehnen lächelnd ab. Er schüttelt den Kopf und erzählt, dass er heute irgendwie kein Glück hat. Und ehe wir uns versehen, unterhalten wir uns. Lui erkennt direkt, dass wir Deutsche sind und gibt uns eine kleine Kostprobe seiner Sprachkenntnisse. Er erkundigt sich nach unseren Erlebnissen und Erfahrungen in Vietnam. Wir tauschen uns ein wenig über Land und Leute aus. Und ehe wir uns versehen fragt er uns nach unserer Weiterreise. Und obwohl klar ist, wohin das Gespräch von hier an führt, war es zu keinem Zeitpunkt eines dieser nervigen Verkaufsgespräche. Er zeigt uns einfach wie man von Hue nach Hoi An alternativ zum Bus fahren kann – mit dem Motorrad. Lui hat uns sofort. Die geplanten Stopps sind klasse. Es gleicht eher einem Tagesausflug, nur das wir ans Ziel kommen. Er hat ein großes Repertoire an Videos, Bildern und Gästebucheinträgen. Wir müssen nicht mehr überzeugt werden, wird sind schon dabei. 

Wir werden mit dem Motorrad von der Unterkunft abgeholt. Ein Fahrer der „Le Family Riders“ genügt für uns und die beiden Backpacks nicht, also kommt der Vater des Fahrers zur Unterstützung. Er nimmt Jasmins Rucksack einfach auf die Lenksäule. Wir steigen je auf eines der beiden Motorräder und schon geht’s zur Sammelstelle. Jasmins erste Meter sind gewöhnungsbedürftig. Sie sitzt weit hinten, vorsichtig hält sich an den Schultern des Papas fest. Hoffentlich wird nicht die ganze Fahrt so. Wir erreichen ein Restaurant. Lui nimmt uns strahlend in Empfang und platziert uns an den Tisch eines deutschen Pärchens. Schnell kommen wir ins Gespräch und sind uns einige, Lui ist als Verkäufer einfach ein Knüller. Am Ende sitzen 12 Touristen aus Deutschland, Österreich, Niederlande und England beisammen. Wir bekommen alle ein Getränk und dann geht’s auch schon los. Unsere Backpacks wurden bereits in den Van verfrachtet, der eine ähnliche Streck fährt. Er versorgt uns mit Getränken, ermöglicht im Notfall ans Gepäck zu kommen oder auch die Weiterfahrt mit dem PKW statt Motorrad.

Es gibt für alle eine kleine Einweisung für das jeweilige Motorrad bzw. Motorroller. Lui hat Jasmin schon an der Zitadelle versprochen ihr Fahrer zu sein. Die weniger Mutigen bzw. Erfahrenen dürfen nämlich auch Mitfahren und müssen nicht selbst steuern. Während der ersten Testrunden auf dem Parkplatz fällt eine der Fahrerin direkt in der ersten Kurve auf die Seite. Jasmin wollte gerade hinter Lui auf den Roller steigen, da schreit er auf: „Oh, no. She is fallen! She is fallen!“ Er bittet uns mehrmals wir sollen kurz warten und sprintet über den Platz. Am „Unfallort“ ist bereits ein anderer Rider und hilft beim Aufstehen. Die Dame ist hart im Nehmen, hat die Lenksäule einfach flexibler eingeschätzt und steigt direkt wieder auf.  Hinterher erzählt sie, dass sie unter dem Roller begraben die ganze Zeit nur dachte: „Oh, Gott. Jetzt hat der Roller Kratzer“. Lui hingegen, sorgt sich eher um ihre Kratzer.

Nach dieser Schrecksekunde setzt der Tross sich in Bewegung. Alle mit einheitlicher Warnweste ausgestattet, können wir uns nicht verlieren. Aber die Riders würden dies eh nicht zulassen. Jede Kreuzung die wir passieren wird zur Sicherheit abgeschirmt. Lui vorne weg, ein Rider links, ein Rider rechts und Einer als Schlusslicht. Wir fahren nur wenige Meter auf der Hauptstraße und biegen zeitig Richtung Reisfelder ab. War Jasmin während der Fahrradtour noch so enttäuscht, nicht zwischen den Reisfeldern fahren zu können, sind wir nun mittendrinn. Die Dörfer sind authentisch, es gibt viel zu sehen. Das Fahrgefühl ist unbeschreiblich. Lui lenkt den Roller geschmeidig um die Schlaglöcher herum. Dominik hat sich schnell an sein 125 ccm Motorrad gewöhnt und lässt sich ebenfalls den Fahrtwind um die Nase wehen, nur das nervtötende Blinkgeräusch, das eher einem ausparkenden LKW entspricht, ist gewöhnungsbedürftig.

Wir sind gerade knappe 20 Minuten unterwegs, da beginnt es zu regnen. Es war schon den ganzen Morgen grau, wir hatten es befürchtet. Lui delegiert uns zu einer Art Garage. Ein Mann sitzt hinter einer kleinen Ladentheke und bietet Jasmin direkt lächelnd seinen einzigen Stuhl an. Währenddessen zaubern die Riders unzählige Regenponchos hervor. Es gibt für jeden eine Gummihose, eine Jacke, deren Kapuze unter den Helm kommt und Plastiktüten für die Schuhe. Es fühlt sich an als würden wir uns nicht einmal selbst anziehen, nur noch den Fuß oder die Arme heben und schon sind wir sicher verpackt. Es bleibt noch Zeit für ein kleines Erinnerungsfoto und schon geht es weiter. Keine 10 Minuten später dreht sich Lui nervös um. Wir haben die Gruppe verloren. Sie halten am Straßenrand. Lui will das Problem in Erfahrung bringen und kehrt auf dem Gehweg um. Eines der Motorräder hat einen Platten, die Briten haben sich einen Nagel eingefahren. Kurzer Hand wird umdisponiert. Jasmin muss ihre bequeme Mitfahrgelegenheit aufgeben und die nächsten zwei Stationen mit Dominik mitfahren. Ein neuer Roller ist schon organisiert.

Dominiks Motorrad ist weitaus unbequemer, seine weniger filigranen Hüften pressen Jasmin gegen die hintere Metallstange. Schon nach wenigen Minuten beginnen wir beide auf dem Motorrad zu zappeln. An der ersten Station fragen wir die Briten lachend, ob das mit dem Nagel im Reifen wirklich sein musste, denn sie haben sich so Luis gemütlichen Roller erobert. Der erste Stopp lenkt von den eingeschlafenen Beinen ab. Wir stehen am Rande eines Fischerdorfes, uns werden Wasserflaschen zur Erfrischung gereicht und Lui erzählt ein wenig über das Leben der Einheimischen. Früher haben die Fischer auf engstem Raum auf den Booten gelebt. Um deren Lebensqualität zu verbessern, hat die Regierung den Fischerfamilien Land zur Verfügung gestellt, auf denen Sie ihre Häuser bauen durften. Nun fahren die Fischer nur noch am Abend hinaus und kommen in der Früh zurück an Land. Die Fische werden durch Licht angelockt und können so am morgen direkt fangfrisch am Ufer verkauft werden. Dort warten bereits Hoteliers und Restaurantbesitzer. Lui lacht und fragt uns nach dem Grund, warum die Familien im Verhältnis zur übrigen vietnamesischen Bevölkerung so viele Kinder haben. Die rational logische Antwort der Altersversorgung lässt ihn erneut lachen. „Auf dem Wasser in der Nacht gäbe es nicht viel zu tun.“ Seine Stimmung schwankt von scherzhaft zu ernst, denn Kinder erhalten in Vietnam keine kostenlose Schulbildung. Derzeit werden die Kosten nur für drei Gruppen übernommen: Mönche, Kinder eines bestimmten Bergvolks mit eigener Sprache, um vietnamesisch zu lernen und Kinder, die aufgrund von Napalm Bomben erkrankt sind. Lui wünscht sich das dies eines Tages allen zu Teil wird.

Noch ein wenig in Gedanken versunken steigen wir wieder aufs Motorrad und fahren die Bucht entlang. Nur 20 Minuten später erreichen wir den Parkplatz der Lagune. Es dauert ein wenig bis unsere Gruppe vollständig ist. Offensichtlich haben nicht alle Biker nach uns den Matsch Parcours so gut gemeistert wie wir. Wir lassen die Roller stehen, und steigen einen Hügel hinauf. Vor uns taucht ein vietnamesisches Badeparadies auf. Im Sommer sind hier zahlreichen Familien zum Baden, für uns müssen heute knappe 20 Grad genügen. Die Hälfte der Gruppe traut sich, inklusive Dominik. Man kann einen Teil des Wasserfalls rutschen oder von einem der Felsen ins Wasser springen. Ein natürlicher Aquapark. Sobald einer unserer Gruppe im Wasser ist, steht ein Rider am Fels Rand als Bademeister, hilft beim klettern Richtung Wasserfall oder knippst die Rutschpartie. Es gibt wieder Getränke für alle, diesmal Softgetränke oder Bier. Die deutsche Vernunft lässt unsere deutsche Gruppe lachend ablehnen, wir bleiben bei Cola. Im Hintergrund dröhnt Luis Box, es singt Ed Sheeran. Die Stunde verfliegt viel zu schnell.

Zum Mittagessen wurde uns hervorragendes Seafood versprochen, der Weg dorthin ist leider nicht ganz so idyllisch. Wir fahren weiter die Hauptstraße entlang. Jasmin wird vermutlich am besten unterhalten, denn sie ist der DJ für Luis Box. Die Musik übertönt leider nur bedingt den Lärm der LKWs. Die Fahrt lohnt sich. Das Ausflugslokal sieht schon aus der Ferne hervorragend aus. Vermutlich waren wir während unserer ganzen Asienreise in keinem so guten Restaurant. Bekommt man als Vegetarier meist eine ernüchternde Alternative, wird hier wirklich gezaubert. Es fehlt uns an nicht. Von Frühlingsrolle, über Gemüse, Omlett, Suppe, Pommes usw. ist für jeden etwas dabei. Wer allerdings Meerestiere mag, wird hier auf seine Kosten kommen, denn nicht nur die Austern sehen hervorragend aus. Als Dessert gibt es eine Früchteplatte. Wir sind so satt und schläfrig, dass das Weiterfahren langsam schwerer fällt.

Die eigentliche Attraktion steht uns aber noch bevor, denn jetzt fahren wir zum eigentlichen Highlight, zum Grund, warum diese Motorradtour weitaus cooler als die Busfahrt ist – wir passieren den Wolkenpass. Dieser Gebirgspass trennt Sonne und Wolken zwischen Hue und Hoi an. Mit dem Passieren verbessert sich also vielleicht auch das Wetter. Wir haben Glück es regnet heute nicht auf den Serpentinen auf dem Weg nach oben. Auf der Straße sind nur Motorräder unterwegs, denn Busse und PKW nehmen den Tunnel. Trotz maximalen 50km/h kommt hier Fahrfreude auf. Wir schlängeln uns bergauf und werden mit einem hervorragenden Blick belohnt. Immer wieder hält unsere Gruppe für ein paar Bilder. Unter uns braust das Meer, die Straße führt durch den Wald, wir sind mitten drinnen, ein großartiges Gefühl.

Für Jasmin wird die Fahrt mit jedem Kilometer mehr eine Herausforderung. Sie hat unterschätzt wie unbequem das Motorrad auf die Dauer ist. Der Rücken schmerzt. Die Position verändern hilft nicht mehr. Sie ist für jede Pinkelpause dankbar. Der Verkehr nimmt Richtung Küstenstadt Da Nang weiter zu. Die Kreuzungen sind wuseliger, Lui nur mit winken beschäftigt. Jedem abbiegenden Roller deutet er durch ein Schütteln der Hand, er möchte bitte warten, dass unsere Gruppe als ganzes passieren kann. Vielleicht will er sie aber auch nur warnen, dass eine Horde Touristen kommt, die einfach nicht Roller fahren kann.

Als wir durch Da Nang fahren ist uns Beiden klar, dass wir unsere Route durch Vietnam vielleicht doch noch einmal ändern müssen. Der schmale Strandstreifen wird von den Wolkenkratzern nur durch die stark befahrene Straße getrennt, auf der auch wir unterwegs sind. Vermutlich werden die anderen Städte im Süden nicht weit anders aussehen. Nicht ganz unser Ding. Der Wind pfeift heute heftig, die Wellen brechen am Strand, Jasmin krallt sich in Luis Schultern. Als Windbrecher ist er leider zu klein. Wir passieren eine freizügige Brücke, die bogenförmig von der Stadt auf die andere Seite führt. Ab wann man wohl vom Sitz gefegt wird? Die anschließende Pause am Hafenbecken kommt keine Sekunde zu früh, Jasmin musste Lui bereits sagen, dass ihr vor Schmerzen schon schlecht ist. Er bietet ihr sofort an, an der nächsten Station einen Ingwer Tee gegen die Übelkeit zu bestellen und bietet ihr eine Mitfahrgelegenheit im Gepäck PKW an.

Am Marbel Mountain siegt aber die Neugier. Wir haben eine Stunde Zeit zum Erkunden, auch das Schokoeis schmeckt schon wieder. Wir haben getrödelt und den Anschluss zur Gruppe verpasst. Ein Rider bringt uns schnell zum Fahrstuhl und drückt uns unser Ticket in die Hand. Mit dem Fahrstuhl geht es ein paar Etagen hinauf und schon stehen wir auf dem Berg. Früher wurde hier Marmor abgebaut. Da das Sprengen als zu gefährlich gilt, ist es mittlerweile untersagt. Eine andere Abbaumethode war offensichtlich keine Alternative, nun wird ein Großteil des Marmors importiert und hier verarbeitet. Scheinen die Asiaten nicht gerne Wege zu Fuß zurückzulegen, sind wir auf dem Berg ein wenig überrascht. Wir hatten einen kleinen Rundweg erwartet, der und von Pagode zu Höhle führt. Die Realität ist abenteuerlicher und weit aus cooler. Wie steigen Stufen aufwärts, klettern Felsen hinauf und quetschen uns durch kleine Felsspalte. Die Steine sind rutschig, glatter Marmor eben. Hätte Jasmin gerne alles gesehen, sind ihre zitternden Beine dankbar für den Abstieg. Die Straße zu unserem Treffpunkt reiht ein Marmorgeschäft an das andere. Wir werden gebeten doch einen Blick auf die Kunstwerke zu werfen. Wir lehnen lächelnd ab, keine Statue ist kleiner als unser Backpack. Schwierig zu transportieren so ein Andenken im Handgepäck.

Zurück im Cafe werden wir mit Smoothies und Kaffee versorgt und können noch einmal durchatmen. Jasmins Mitfahrgelegenheit ist mittlerweile auf dem Weg nach Hoi An. Die letzten 20 Minuten muss sie noch einmal die Zähne zusammenbeißen. Es wird schon dunkel, als wir die beleuchteten Straßen von Hoi An erreichen. Nach erfolgreicher Tour gibt es für alle noch einmal Softdrinks und Bier. Nacheinander werden wir zur Unterkunft gefahren. Als wir realisieren, dass wir auch diese Fahrt mit dem Motorrad fahren, lehnen wir dankend ab. Jasmin ist fix und alle, unsere Unterkunft eher außerhalb, wir nehmen ein Taxi. Die Riders wollen das Taxi bezahlen, aber wir lehnen auch hier dankend ab. Zu gut war der Tag, das Bezahlen ist völlig unnötig.

Nicht nur die Tour, auch Lui wird zu einem unserer Reisehighlights. Wieder eine Persönlichkeit, die uns beeindruckt hat. Seit 10 Jahren fährt er fünf Tage die Woche die Strecke und immer noch hat man das Gefühl, er hat diese Leidenschaft gerade erst für sich entdeckt. Der Name „Le Family Riders“ ist keine Vermarktung. Tatsächlich sind alle Riders verwandt. Wir buchen selten Touristen Touren, zu oft überwiegt der Beigeschmack der Massenabfertigung. Lui hatte uns von der ersten Sekunde an. Das erste Mal in Asien wurden wir nicht bequatscht, sondern waren Teil davon. Selten sind wir so sorglos gereist und vor allem Jasmin hat sich zu jedem Zeitpunkt sicher gefühlt. Und obwohl uns Lui noch im Cafe gebeten hat eine TripAdvisor Bewertung zu schreiben, haben wir das gerne getan. Es war unsere Erste.